Mein Problem mit Social Media Algorithmen

12.10.2023 14:40 Uhr 20 Gedanken Social Media

Für mich funktioniert das nicht. In den Feeds tauchen - wie auch auf anderen Plattformen - Inhalte auf, die andere Leute geliked, geteilt haben oder wo viel kommentiert wurde. Also was ankommt, was vermeintlich "relevant" ist. Allein das, die hohen Zahlen bei Likes, Shares und Comments verleiten dann wieder andere dazu, diese weiter hoch zu pushen, weil muss ja richtig und gut sein, wenn es viele andere auch so sehen, dann reihe ich mich dort mal ein. Viral, blabla. Heißt aber gleichzeitig, andere Posts, die mich vielleicht mehr interessiert hätten gehen unter. So funktionieren ja leider alle großen Plattformen, Insta, Tik Tok, ... eigentlich auch Film- und Musikcharts.

Einzige Chance, die ich hier für mich sehe, ist Netzwerk klein und überschaubar halten, versuchen möglichst alles zu lesen oder zu überfliegen und bei Menschen, die einem wichtig sind, nochmal extra vorbeisehen. Da wo möglich (Mastodon z.B.) mit Filtern die Masse an Posts minimieren, so dass man z.B. gar nicht erst Themen sieht, die einen nicht interessieren (Bundesliga z.B.).

Mein Eindruck ist, die meisten haben keine Lust sich groß mit sowas auseinanderzusetzen, sie wollen lieber etwas vorgesetzt bekommen. Nicht engagieren sondern konsumieren, kein eigenes Bild machen sondern einreihen. Zeigt sich ja auch im gesellschaftlichen Kontext auf ganz anderen Ebenen, also wohl ein Phänomen unserer Zeit. Bei Bluesky konnte man sehr gut bemerken, wie sich die Ausdrucksweise vieler Leute verändert hat, als populäre Accounts von Twitter/X hier landeten, Möchtegern-Komiker, Influencer, Kopierer eben solcher. Als man merke, dass der alte Wein auch durch die hiesigen Schläuche nochmal durchgepumpt werden kann und die Menge jubelt und japsend nach mehr schreit.

Bei Bluesky sind diese Feeds/Streams noch getrennt vom Hauptfeed, man muss das also nicht mitbekommen, aber man merkt ja, wie es die Leute beinflusst und u.U. auch manipuliert. Es verändert die Kultur des Netzwerks. Es ist ja auch nur eine Frage der Zeit, bis das mit kritischen Themen passiert. Muss nicht, aber die Gefahr ist groß in meinen Augen. Ich finds erschreckend und traurig.

"Mastodon ist scheiße, da gibt's keine Algorithmen". So ähnlich liest man das häufiger mal, aktuell im Vergleich zu Bluesky z.B. Ganz ehrlich, für mich ist das ein großer Pluspunkt FÜR Mastodon aus den eben genannten Gründen.

Ich hab mich mit dem Thema vorher nicht wirklich auseinander gesetzt, das sind nur meine Gedanken, Bauchgefühle und Erfahrungen. Allerdings scheine ich mit dem Gefühl nicht so daneben zu liegen:



Man darf dabei nicht vergessen, dass jede:r natürlich unterschiedliche Wünsche und Erwartungen an solche Netzwerke oder Plattformen hat.

  • Viele haben Twitter als (vertrauenswürdige) Newsquelle gesehen, hier fehlt es aktuell an "Ersatz", was meiner Meinung nach auch daran liegt, dass Presse, Journalisten, Medienkonzerne etc. träge sind und vermutlich alle warten "wo man denn hinwandert". Wären sie im Fediverse, gäbe es schnell Listen und Verzeichnisse ihrer Accounts und das Thema wäre kein Kritikpunkt mehr. Ressourcen z.B. eigene Mastodon-Server aufzusetzen hätten sie bestimmt. Aber einen Bluesky Account anzulegen (wenn man denn ein Invite hat) geht einfacher und schneller.
  • Ähnlich vermutlich für viele Unternehmen.
  • Für Bands, Schauspieler, andere Künstler ist das schwierig. Ich vermute sie bleiben erstmal bei X oder konzentrieren sich auf Instagram und evtl Facebook.
  • Einige wollen gar nicht lesen, sie wollen sich nur mitteilen und gesehen werden. Von möglichst vielen, sie wollen Likes, sie wollen Publikum, Aufmerkamkeit. Vielleicht verdienen sie Geld damit. Die werden im Fediverse natürlich nicht glücklich. Bleiben bei X und ziehen parallel bei bluesky 'nen Klon groß.
  • Dann gibt es die, die sich genau von jenen berieseln lassen und deren Worten folgen wollen. Same: bleiben bei X (Umstände sind egal, wer den Laden wie führt und was der sonst so fördert auch latte). Sie flehen um Bluesky Invites.
  • Wer erinnert sich noch an den Spruch und die Ermahnung "Twitter ist kein Chat!" (anno 2008 oder so). Und doch, für viele, wie auch mich, war Twitter in großen Teilen genau das, ein Gruppenchat mit Freunden und so ist es mit Mastodon heute für mich auch. Hier fühl ich mich wohl. Hier spürt man noch das "social" in "Social Media", man kann "Guten Morgen" sagen und es kommen Antworten. Man stößt mit Kaffee, Tee oder Bier an, es gibt die wildesten Umfragen aus allen möglichen und noch so belanglosen Umfeldern. Da sind Menschen, die fragen, wie es einem geht, die auch ehrliche Antworten hören wollen. Man traut sich zu sagen, wenn es einem Scheiße geht und wird wahrgenommen.

Wie man immer noch guten Gewissens einen X-Account haben kann, geht mir nicht in den Kopf, aber das hatten wir ja bereits. Für mich ist das irgendwie, wie still mitlaufen bei nem Naziaufmarsch oder bei ner Massenvergewaltigung schulterzuckend sein Handy draufzuhalten. Mir fallen keine passenderen Vergleiche ein, aber mir läuft es kalt den Rücken runter bei dem Gedanken.

Gestern schrieb ich noch: "Bald jährt sich der Tag, an dem ich meine Twitter-Accounts gelöscht hab. Das tat weh, aber ich bereue es keine Minute. Bin froh kein Bestandteil dieser kranken Scheiße mehr zu sein."

DIE Alternative gibt es nicht, aber es gibt einige Möglichkeiten die Situation zu nutzen um nette neue Communities zu gründen, in denen es respektvoll zugeht. Das kann allerdings nie Aufgabe der Tools und Plattformen sein (technische Möglichkeiten, UX und UI hin oder her). Es bedeutet vor allem, offene, wertschätzende Kommunikation, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Einzelnen einzugehen, auch mal nicht alles zu kommentieren und Besserwisserei zurückzuhalten oder konstruktiv zu formulieren. Zu hinterfragen, Quellen anzugeben. Sowas übernehmen keine Algorithmen, da muss jede:r selbst zu beitragen.

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Sascha
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